Presse:
- Main-Echo - Dienstag, 15. November 2010
Brutal wie Max und Moritz
Premiere: Thomas Gsella präsentiert »Das Beste aus
50 Jahren«
bei »Kunst = Nöthig«
im Gotischen Haus
Großostheim.
Eine Weltpremiere, »fast so begehrt wie der Beginn einer
Rolling-Stones-Tournee« - Thomas Gsella hat am Sonntag zum
ersten Mal sein Programm »Das Beste aus 50 Jahren«
im ausverkauften Gotischen Haus in Großostheim
präsentiert. Mit satirischen Gedichten und Geschichten erntete
der Schriftsteller lautes Gelächter im voll besetzten Saal.
Schwarzer Humor im Gotischen Haus: Thomas Gsella und Publikum bei der
Premiere des aktuellen Programms. Foto: Peter KatzendoblerDie Karten
der Veranstaltung der Reihe »Kunst =
Nöthig« waren restlos ausverkauft. »Wir
hatten schon Angst, dass wir nicht mehr alle Gäste reinlassen
können; gut 80 Besucher waren da«, freut sich
Mitveranstalterin Bettina Müller.
Diesmal auf Gsellas Opferliste: Deutschlands Städte und ganze
Berufsstände. Ja sogar vor der eigenen Frau und Kindern macht
sein schwarzer Humor nicht Halt. Alles wird schön verpackt in
Reime; Gsella liest Zwölfzeiler über trinkfeste
Maurer, geldgierige Zahnärzte und faule Lehrer. So ist dieser
am Ende eines Tages »nicht ärmer, aber
heiser«, der Zahnarzt »ein reicher
Räuber«.
Versuche als Fußball-Kommentator
Zwischen den Zeilen nimmt Gsella auch immer wieder das Publikum aufs
Korn: Der 52-jährige Wahl-Aschaffenburger will wissen:
»Verstehen Sie mein Hochdeutsch hier in
Großostheim?« Offenbar ja, die Zuhörer
klopfen sich nach jeder Pointe brav auf die Schenkel und lachen
lauthals über Gsellas Versuche als
Fußball-Kommentator. Natürlich bedankt sich der
Künstler mit dem Lob, es sei bisher der schönste
Abend der Tournee - Kunststück, bei einer Premiere.
Das Publikum lauscht den Fabel-Gedichten: so lehren Leguan, Seekuh,
Skorpion und Regenwurm allerhand über Moral.
Anschließend zeigt Gsella auf der Leinwand Fotos, die
Titanic-Leser eingeschickt haben. Dazu gibt er Kommentare in Versform.
In der Pause stehen die Gäste beieinander, resümieren
die Späße. »Saukomisch, fabelhaft, einfach
genial« - das Publikum ist hochzufrieden.
Erstmals im Gotischen Haus
Nicht nur eine Programmpremiere wird gefeiert, auch im Gotischen Haus
in Großostheim ist Thomas Gsella zum ersten Mal. Seine Tour
führt ihn bis zum 5. Mai 2011 noch nach München,
Stuttgart, Aschaffenburg und Frankfurt.
»Kinder so was tut man nicht«, heißt es
nach der Pause. »So ähnlich wie Wilhelm
Busch« sollen die Gedichte sein, sagt Gsella:
»Genauso brutal wie Max und Moritz, nur hier gewinnen immer
die Kinder.« Witzige, böse, geschmacklos satirische
und urkomische Gedichte und Geschichten aus acht Büchern packt
Gsella aus. Dazu zeigt er Bilder und Karikaturen seiner zeichnenden
Kollegen Achim Greser, Heribert Lenz und Rudi Hurzlmeier.
Dazwischen immer wieder Auszüge aus Titanic-Werken. Thomas
Gsella schreibt, liest und sagt, was »man« nicht
darf, ohne es böse zu meinen. Er nimmt sich heraus, was, wann
und wie er es will - meist kommt es beim Publikum gut an. Seine Opfer
sind »Prominente, Politiker und andere Banditen«.
Klischees großzügig bedient
Doch niemand zeigt sich im Publikum beleidigt oder beschämt.
Klischees und Vorurteile werden großzügig bedient,
das ist schwarzer Humor, das ist Satire.
Als Thomas Gsella nach zwei Stunden sagt »Jetzt ist es
vielleicht auch genug«, sind die Zuhörer anderer
Meinung. So folgen noch zwei Zugaben, die mit dem Titel
»Klimawandel 2040« enden: »Wenn ich
einmal alt bin, wird die Welt noch wärmer sein und sie wird
noch ärmer sein, wenn ich einmal kalt bin.«
Eine gute Portion Eitelkeit und Selbstbewusstsein braucht es eben als
Satiriker und Humorist. Gsellas Fazit zur Weltpremiere:
»Einen besseren Start als Großostheim kann man gar
nicht haben, das wussten schon die Rolling Stones!«
Text: Lena Heeg
- Foto: Peter Katzendobler
- Main-Echo - Freitag, 15.
Mai 2009
Adel vernichtet
Schauspiel Das Bochumer Theater Total zeigt in Großostheim
einen ehrgeizigen und äußerst gelungenen "Don Karlos"
Großostheim.
Mancher in der halbvollen Halle hatte vielleicht eine
Schulaufführung erwartet, denn Theater Total ist ein
neunmonatiges Studium Generale der Theaterwelt, das sich vor allem an
Schulabgänger wendet. Seit Oktober haben rund 30 junge Leute
an ihrer Aufführung gearbeitet, die sie jetzt auf einer
Tournee zeigen. Unter der Regie von Barbara Wollrath-Kramer studierten
sie ein Stück ein, das seines gleichen nicht auf
Schulbühnen sucht, sondern im professionellen Betrieb.
Dass sie alles oder nichts wollen, zeigen die Akteure in der Wahl des
Dramas. Denn Schillers "Don Karlos" aus dem Jahr 1787 ist keine leichte
Kost. Es spielt 1568 vor dem Hintergrund der spanischen Inquisition am
Hof Philipps II. und schildert die Geschichte einer Adelsfamilie, die
sich am Ende selbst vernichtet. Philipps Sohn Karl liebt seine
Stiefmutter Elisabeth; er wird geliebt von Prinzessin Eboli (Lea
Brindl), die er zurückweist. Karls Vertrauter ist der Marquis
von Posa (Matthias Thamm). Doch auf wessen Seite steht der, als Karls
Liebe zu Elisabeth von Eboli an Philipp verraten wird?
Am Ende siegt die Inquisition Am Ende ist es die Politik, die das
Schicksal des jungen Infanten bestimmt: Sein Land ist von der
Inquisition gebeutelt, der Marquis will Karl deshalb
überzeugen, ins freiheitsliebende Flandern zu gehen. Doch es
kommt anders: König Philipp übergibt seinen
verräterischen Sohn an die Inquisition.
Nicht immer ist es leicht, dieser Handlung zu folgen - die stark
gekürzt wurde, um auf verdauliche Länge zu kommen.
Wie gut also, dass ihre Darstellung von einer klaren Ästhetik
lebt: Ernst und schwer ist die Atmosphäre, die Akteure sind
überwiegend in Schwarz gekleidet, die dunklen Fächer
der Frauen vermitteln spanisches Ambiente. Ein einziger Spezialeffekt -
der Auftritt des Großinquisitors - verfehlt seine
schauderhafte Wirkung nicht.
Bemerkenswert ist die hohe Musikalität der gut
zweistündigen Inszenierung. Sie ist durchzogen von
choreographierten Passagen und wartet sogar mit mehrstimmigem Gesang
auf. Von dieser Körperlichkeit zehrt auch das
Bühnenbild. Vorgegeben ist allein die schräge Ebene
in der Mitte der Bühne, den übrigen Raum
füllen die 19 Akteure überwiegend selbst: Auch die
kleineren Rollen verstecken sich nicht, sie sind präsent und
geben dem Spiel Leben und Fülle.
Fast alle Schauspieler haben mehr als einen Part einstudiert; selbst
die größten Rollen sind mehrfach besetzt. An diesem
Abend sieht und feiert das Publikum Ludwig Hohl als
schwärmerischen Don Karlos und Julia Schäfle als
großartige Königin, die die Balance zwischen Anmut
und Machtbewusstsein genau trifft.
Kalt die Worte, scharf das Spiel Beeindruckend auch Philipp Quest als
König: Kalt seine Worte, scharf sein Spiel und Mienenspiel.
Nur ab und an fällt auf, dass hier der Nachwuchs spielt:
Manches Wort klingt überartikuliert in der vergleichsweise
kleinen Halle. Besonders deutlich wird das Können der Akteure
in den packenden Schlüsselszenen des Stücks:
Unvergessen jene, in der König und Königin im
Tangoschritt ihren Streit ausfechten, an dessen Ende er sie zu Boden
stößt. Am meisten Applaus aber bekommt zum Schluss
doch die Mainaschafferin Ulrike Gnandt, die an diesem Abend in einer
Nebenrolle zu sehen ist und sich um das richtige Licht
kümmert.
Auch wenn die Halle bis auf den letzten Platz hätte besetzt
sein müssen, um diesem Schiller Genüge zu tun: Es war
ein Glücksgriff für den Verein Kultur ist
Nöthig, dieses junge Ensemble eingeladen zu haben.
Text: Moni
Münch - Foto: Björn Friedrich
- Bachgau-Bote - Donnerstag,
6. März 2008
Klaus Appel & the Swing Houze swingen im
Postkeller
Großostheim.
Der Kontrabass lehnt an der Wand des Gewölbekellers der Alten
Post, vier Saxophone und ein nostalgisches Mikrofon warten auf ihren
Einsatz. Mit Piano und Schlagzeug im Hintergrund hielt der Kulturverein
Kunst ist Nöthig, was er versprochen hatte: Ein
Gläschen Wein
in gemütlichem Ambiente und ganz viel Swing aus dem fernen
Amerika. Die Aschaffenburger Band Klaus Appel & the Swing Houze
schlug am Samstagabend den musikalischen Bogen vom Swing der 30er Jahre
über Evergreens bis hin zu Rhythm & Blues. Die Swing
Houze
Band mit Leader Appel spielten Coversongs von Dean Martin bis zu den
Andrew Si-sters, aber auch viele "vergessene" Stücke.
Überraschend: 40 Jahre Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts
waren
beim Publikum des Gewölbekellers durchaus präsent.
Das mag
auch daran liegen, dass erfahrene Swingtänzer den Weg nach
Großostheim gefunden hatten. Wehende
Petticoat-Röcke, Swing
und Chive-Tanz-schritte machten Appels Musik lebendig. Clippo Staab am
Kontrabass, Matthias Ladewig am Schlagzeug, Max Hirschberg am Piano und
Klaus Appel am Saxophon erfüllten nicht den typischen
Bigband-Charakter der Swingzeit. Die vier eingefleischten Jazz-Musiker
machten das mit eigenwilliger Interpretation und viel Humor wert.
Dabei liebt es Appel, auf alte Saxofone zurückzugreifen. Nur
die
bringen schließlich den Originalsound, so der
45-Jährige. Ob
Bariton-, Alt- oder Tenorsaxophon - dieses Instrument darf bei Jazz und
Swing auf keinen Fall fehlen. Liebhaber dieser Musik und der
Instrumente zollten deshalb den vier Musikern viel Applaus. Trotz der
begrenzten Räumlichkeiten schafften sich sowohl
Tänzer,
Zuschauer und Musiker einen großen Raum für
Rhythmus,
instru-mentelle Vielfalt - eben ein Abtauchen in die Welt des Swing.
Nicole Damm-Arnold
- Bachgau-Bote - Donnerstag,
28. Februar 2008
Ehemalige Windsbacher Knabenchor-Jungs
rocken und grooven die Bachgauhalle
a capella begeistert Junge und Junggebliebene
Großostheim. Mehr
als ein "One-Night-Ständchen" - wie ihr Programm verspricht -
bot
die erste a-capella-Boyband Deutschlands, Viva Voce, in
Großostheim. Viel mehr wollte das Publikum in der
ausverkauften
Bachgauhalle schon nach der zweiten Programmnummer von den
fünf
jungen Männern aus Ansbach hören. Trotz des
Boygroup-Charakters schafften es die Jungs, die - wie sie selbst singen
- "alles mit dem Mund machen" und ohne Instrumente auskommen, Zuschauer
von ganz jung bis jung geblieben zu begeistern. Sowohl eingefleischte
Fans als auch eine Geburtstagsgesellschaft waren nach
Großostheim
gekommen, um sich von dem perfekten Sound, der bis aufs
äußerste gefeilten Harmonie, der eleganten Dynamik
und dem
unnachahmlichen Rhythmus - zusammen mit dem
"Everybody's-Darling-Charakter" der fünf Jungs faszinieren zu
lassen. Unvergleichlich waren schon die klaren Stimmen und der perfekte
Ton, den Bastian, Heiko, David, Thomas und Jörg anstimmten.
Hierin
zeigte sich einmal mehr, wo die Jungs ihre Gesangskarriere begannen -
in der Schmiede des renommierten Windsbacher Knabenchors.
Seit zehn Jahren tourt die a-capella-Band nun schon durch die Lande,
entwickelte einen ganz eigenen Vox-Pop-Stil, der an
Vielfältigkeit
nichts vermissen lässt. Zuletzt als "Talent des Jahres" in der
Sendung "Comedy-Falle" mit Kai Pflaume ausgezeichnet, verleiht Viva
Voce Cover-Songs wie "It's my life" von Bon Jovi eine ganz neues
Gesicht oder gibt Lieder zum Besten, die sie auf Zuruf des Publikums im
Rock-, Classic-, Country- oder sogar Orlando-di-Lasso-Stil singen. Sie
beherrschen es, mit Stimmenvirtuosität das Publikum in den
Bann zu
ziehen. So auch während eines Madonna-Medleys, aus dem die
Band
ein Wettstreit zweier Rhythmen machte, die sie letztendlich doch
harmonisch zum Klingen brachte. Highlights waren an diesem Abend aber
eindeutig die eigenen Titel von Viva Voce, die, gepaart mit Witz, bei
den Zuschauern punkteten. Mit dem Mund rockten und groovten die Jungs
aus Ansbach richtiges "A-Capella-Summerfeeling" in die Bachgauhalle,
ohne dabei ins "Fettnäpfchen" zu treten. Vielmehr verwandelten
sie
ihre "Singsucht" in eine Hörsucht des Publikums, das die
fünf
smarten Jungs ohne Standing Ovations und drei Zugaben nicht von der
Bühne ließ. Das richtige Händchen
für die
fränkische a-capella-Band bewiesen dieses Mal die Damen von
Kunst
ist Nöthig e.V., die sich eine richtige Boyband auf die
Bühne
wünschten.
Und gleich am Samstag bietet der Verein ein weiteres Schmankerl: Jazz
im Postkeller.
Nicole Damm-Arnold
- Main-Echo - Mittwoch, 22.
März 2006
Herzklopfen beim Heim-Spiel im Gewölbekeller
»Joschi Pevny Trio & Friend«
zu Gast in Großostheim
Großostheim.
Joschi Pevny hält nichts von selbstgefälligem
Gefrickel auf
der Gitarre und Sängerin Eva Wolf nennt sich rundheraus
»ein
Äisdemer Määdsche«. Wie Jazz -
für manchen
auf immerdar eine todernste Angelegenheit - und dieses unkomplizierte
Auftreten zusammengehen, haben gut 80 Zuhörer am Samstag im
Gewölbekeller der Alten Post erlebt. Es geht gut zusammen.
Die Heimstatt des Kulturvereins Kunst=Nöthig war der passende
Ort
für Eva Wolfs Rückkehr nach Großostheim.
Über 20
Jahre war sie zwischen Worms, Guatemala und Aschaffenburg unterwegs,
zum ersten Auftritt mit dem Joschi Pevny Trio kam sie mit
»Herzklopfen«. Das war sympathisch, hätte
es aber
nicht gebraucht. Beim klassischen Heim-Spiel für
»Eva«
wollten selbst eingefleischte Aschaffenburger nicht fehlen.
»Klingt stellenweise wie Cassandra Wilson«,
ließ ein
Zuhörer nach nur zwei Stücken verlauten. Das
dürfte Wolf
geschmeichelt haben. Ist Wilson doch laut Time Magazin
»Amerikas
beste Sängerin«. Zumindest gilt sie als eine der
populärsten und vielseitigsten Jazz- und Blues-Interpretinen.
Von großem Gehabe jedoch wollen die Hausmusiker der
Schweinheimer
Gutsschänke, wie gesagt, nichts wissen. Pevny, der
für seine
samtweich perlenden Gitarrentöne bekannt ist und
Orchesterarrangements dank seiner Fingerfertigkeit eben mal alleine
spielt, wirkte unauffällig aus dem Hintergrund, ließ
Eva
Wolf machen.
Vom Understatement ging sie flott zum Unanständigen
über.
»Love for Sale«, die Interpretation des
Cole-Porter-Stücks war nur ein Beispiel dafür, wie
sich die
Musiker um Pevny vor Jazz-Größen verbeugen, um sie
gleichzeitig durch Kombination mit eigenen Elementen neu zu entdecken.
Bei »Shiny Stockings«, zu dem Ella Fitzgerald den
Text
geschrieben hat, lieferte sich Eva Wolf mit der Stimme als
Rhythmusinstrument eine Mischung aus Wettkampf und Dialog mit Peter
Roses gefühlvollem Trompetenspiel. Das machte die
Zuhörer in
den Sitzreihen ihr etwas eingezwängtes Dasein schnell
vergessen.
Wer dann noch hörte, dass Peter Rose Autodidakt ist, konnte
nicht
umhin, sich dem Verneigungsreigen gleich anzuschließen.
Zwischenapplaus heimste immer wieder Werner Wienand am Kontrabass ein,
der als »Friend« das Trio ergänzte. Seine
Soli waren
auch ein echter Hingucker. Wenn Wienand seinen Bass innig umarmte und
konzentriert dem Notenblatt immer näher rückte,
sorgte das
bei manchem Zuhörer für anerkennendes Schmunzeln.
Bei »Ain't Misbehavin'«, dem Klassiker von Fats
Waller, zog
Joschi Pevny dann doch alle Blicke auf sich und seine Gitarre.
»Der Mann ersetzt eine komplette Band«, so Eva
Wolf, die
dann vergebens allen Charme spielen ließ, um das Publikum bei
»Cheak to Cheak« zum Steppen zu bewegen.
Dafür nahm
ein Zuhörer bei »I'm in heaven« spontan
seine
Partnerin fest in den Arm. Die Leichtigkeit Verliebter, die im siebten
Himmel schweben, erfüllte trotz des massiven Gewölbes
einen
Moment lang den Raum.
Ein bisschen Blues, ein wenig Bossa Nova - das Pevny Trio hatte einen
gut verdaulichen Mix ausgesucht, den auch jene vertragen konnten, die
das vermeintlich schwierige Jazz-Genre nicht von Geburt an
verinnerlicht haben. Mit Charlie Parkers »My old
flame«
hatte das Ensemble auf jeden Fall eine würdige Zugabe
gewählt.
» (...)getting to be a habit with me« - Jazz im
Großostheimer Gewölbekeller könnte bald zur
schönen Gewohnheit werden.
Sonja Maurer de
Aguirre
- Main-Echo - Dienstag, 7.
Februar 2006
Gemächlich im Wüstenwind
Alexander Finkel erzählt »Der
Alchimist« in Großostheim
Großostheim.
Alexander Finkel hat keine Eile. Gemächlich tritt er hinter
dem
Vorhang hervor, erklimmt mit einem entschlossenen Schritt die
Bühne, barfuß. In seinem Kaftan,
Weiß-Gold, und mit
dem Fez auf dem Kopf, wirkt er wie ein Mann der Wüste.
Männer
der Wüste haben keine Eile.
Das ist das Tempo, das am Samstagabend die folgenden zwei Stunden beim
Erzähltheater »Der Alchimist« bestimmt.
Ein Teppich,
ein bedrucktes Tuch mit einer strahlenden Sonne, ein Podest und ein
Teegeschirr genügen Finkel, um aus dem kargen Konzertsaal der
Musikschule das gemütliche Innere eines Beduinenzeltes zu
machen.
Entspannt rückt er Teeglas und Silberkanne zurecht,
stützt
die Hände auf die Schenkel, nimmt Blickkontakt auf zu seinen
Zuhörern.
»Es gibt nur Entweder-oder, kein Zwischendurch«,
sagt er
und schon sind die rund 120 Besucher der Großostheimer
Musikschule mittendrin in der Geschichte des andalusischen Hirten
Santiago, der einem wiederkehrenden Traum folgt und auf der Suche nach
seinem Schatz auch innere Reichtümer entdeckt.
Finkel hat das Buch des brasilianischen Autors Paulo Coelho bearbeitet,
gekürzt, Passagen neu verbunden und von Handlung
entrümpelt,
die es nicht braucht, um die Botschaft zu verstehen: »Folge
deinen Träumen«, lautet sie und der
»Narrador«,
wie sich Finkel selber nennt, schickt seine Zuhörer auf diesen
Weg, ohne Eile. Die zentralen Lebensweisheiten aus Coelhos Roman stellt
er dabei geziehlt heraus.
Dem jungen Hirten, dem alten König, dem Alchimisten und auch
der
schicksalsergebenen Fatima haucht er fast allein mit der Kraft seiner
Stimme Leben ein. Mal zögerlich, mal treibend spricht er,
pointiert dosiert, lockert auf mit amüsantem Akzent und nimmt
sich
immer wieder Zeit für Pausen.
Die Geschichte von Liebe, Hoffnung, Glaube, Angst und Zweifel gewinnt
Gestalt, wenn Finkel sich vorbeugt oder mit einer unerwartet raschen
Bewegung plötzlich ganz und gar auf seinem Podest kauert. Mit
den
Fingern zeichnet er den Schriftzug eines arabischen Wortes in der Luft
nach. »Maktub - es steht geschrieben«, sagt er und
dabei
stehen die einzelnen Buchstaben förmlich im Raum.
Ein Lidaufschlag, ein Kopfnicken, eine angedeutete Verneigung -
Santiagos Reise vom spanischen Tarifa über die Oase El Fayum
bis
zu den Pyramiden Ägyptens nehmen die Zuhörer so
gefangen,
dass es ganz still wird im Saal. Kaum ein Husten, Räuspern
stört Finkels Erzählungen, ganz sachte hat sich der
Wüstenwind durch eine Türritze hineingeschlichen.
Die ein oder andere Betonung hätte mancher
»Alchimist«-Kenner vielleicht anders gesetzt, einen
nachdenklichen Santiago weniger altklug wirken lassen, dem
Angsterfüllten mehr Verzweiflung anheim gegeben und seine
Liebeserklärung an Fatima nicht als Rechtfertigung intoniert.
Dafür aber gelang es Finkel fast durchgehend, sich selbst
soweit
zurückzunehmen, dass er es jedem Zuhörer
ermöglichte,
jene Passagen aus dem Buch herauszuhören, die er für
sich
selbst heraushören wollte. Selbst das einzige anwesende Kind
des
Abends verstand der erfahrene Märchenerzähler durch
Blickkontakt immer wieder einzubinden.
Wer nicht gleich am Samstagabend seinen Schatz in der Musikschule
gefunden hat, der durfte zumindest einen Lichtmoment erleben, und das
allein hat sich - so eine alte Alchimisten-Weisheit - bereits gelohnt.
Auf Alexander Finkels Erzählung »Der kleine
Prinz«,
die er im Sommer im Auftrag von
»Kunst=Nöthig« in
Großostheim präsentieren will, darf man deshalb
schon jetzt
gespannt sein.
Sonja Maurer de
Aguirre
- Main-Echo - Montag, 4. Juli
2004
Musikalische Zeitreise durch zwölf Jahrhunderte
»Vogelfrey und unvuortzaget« in der
Musikschule
Großostheim.
Die Stuhlreihen im romantischen Innenhof des Großostheimer
Nöthigsguts waren gestellt, die Stände für
den
Getränkeverkauf schon aufgebaut. Irgendwann im Laufe des
Samstagsnachmittags waren die sieben Musiker des Ensembles aus dem Raum
Aschaffenburg und Obernburg dann plötzlich gar nicht mehr so
»Vogelfrey und unvuortzaget«, wie das ihr Name
verspricht:
Die drohenden Regenwolken nahmen ihnen den Mut für ein Konzert
unter freiem Himmel.
Doch auch im stickig-heißen Saal der Musikschule entfalteten
die
etwas anderen Klänge ihren ganz besonderen Reiz. Sonst nicht
gehörte Musikinstrumente wie Drehleier und Krummhorn nahmen
die
Zuhörer mit auf eine Zeitreise vom neunten Jahrhundert bis in
die
Jetztzeit - von den »Merseburger
Zaubersprüchen« bis
zu den »Schwarz bemalten Steinen«, dem bekannten
»Paint It Black« der Rolling Stones.
Es war ein entspannender Abend, durch den Frowin Hafner mit launigen
Ansagen führte. Ein Abend, der einfach Spaß machte
mit
Stücken wie dem flotten russischen Traditional
»Troika«, der lustigen
»Pfeifferey«, mit
Richard Löwenherz´ Freiheitssehnsucht »Ja
nuns hons
pris«, die dieser in seiner Kerkerhaft geschrieben hatte.
Und natürlich mit dem schier endlosen »King
Arthur´s
Liver«, mit dem die Musiker die Zuhörer aus dem Saal
begleiteten: »Dieses Lied hört nie auf«,
sagte Frowin
Hafner, deshalb verabschieden wir uns schon jetzt!«
Mal nachschauen: Vielleicht spielen »Vogelfrey und
unvuortzaget« ja immer noch...
Wolfgang Dreikorn
- Presse-Text - Dienstag, 11.
Mai 2004
Poststelle in Großostheim
wiedereröffnet.
Historisches Gewölbe mit irischer Musik zu neuem
Leben erweckt.
Großostheim.
Es ist tatsächlich etwas Kunst nötig, will man das
lokale
Kulturgeschehen bereichern. Wieder einmal mehr stellte der Verein
Kunst=Nöthig unter Beweis, dass er dies beherrscht. Mit Celtic
Chakra holte er eine der besten irischen Bands unserer Umgebung in ein
sehr passendes Ambiente.
Im historischen Gewölbekeller aus dem
18. Jahrhundert, ausverkauft und bis in den letzten Winkel besetzt,
ging am Samstag Abend so richtig die Post ab.
Die mit zwei Iren und zwei Deutschen hervorragend besetzte Band,
ließ in kürzester Zeit den Rhythmus und die
Leidenschaft der
irischen Musik auf das Publikum überspringen. In einer
geschickten
Folge wurden eigene Kompositionen und Arrangements traditioneller
irischer und keltischer Musik dargeboten. Die überwiegenden
schnellen Stücke wie Jigs und Reels wurden in angenehmer Folge
mit
beschaulicheren Titeln abgewechselt.
So gelang eine mitreisende Gratwanderung die die Facetten der irischen
Seele wiederspiegelte, von überbrodelnder Lebensfreude bis hin
zu
tiefer Melancholie. Mit Fiddle, Bodhran (irische Trommel), Gitarre,
Banjo Bouzuki und Klarinette zauberten die vier Musiker einen Sound,
der dem Publikum unmittelbar unter die Haut ging und es auch auf
engstem Raum begeistert dem ansteckenden Rhythmus folgen ließ.
So war es auch nicht verwunderlich, dass die Band erst nach mehreren
Zugaben von der Bühne durfte. Alles in allem ein mitreisender
und
angenehmer Abend, der in jeder Beziehung Lust auf mehr macht - und
genau das haben Band, Zuschauer und Veranstalter gemeinsam
bekräftigt. Und so darf man gespannt sein, was sich der
rührige Verein für weitere Veranstaltungen noch alles
einfallen lässt.
- Main-Echo - Mittwoch, 19.
Novmber 2003 - Lokales
Zwischen Caféhaus und Keltenfeuer
Mit La Serena auf musikalischem Streifzug in St. Peter
und Paul
Großostheim. Respekt vor klassischer
Musik haben die
Mitglieder des Ensembles La Serena keinen. Sie spielen sie einfach,
locker und heiter, wie ihr Name sagt, und vermischen sie ganz ungeniert
mit Jazz und Pop. Auch wer normalerweise nicht viel anfangen kann mit
Bach, Händel und Vivaldi, hätte auf den Geschmack der
traditionellen E-Musik kommen können am Sonntagabend in der
voll
besetzten Kirche St. Peter und Paul.
Geige, Querflöte, Oboe, Cello, Kontrabass, klassische Gitarre
und
Vibraphon: Auch damit lässt sich ein Konzertsaal - wie das
dafür sehr gut geeignete Kirchenschiff - zum Swingen bringen,
zeigten die vielseitigen Musiker aus dem Rhein-Main-Gebiet. Isabelle
Bodenseh zum Beispiel entlockte ihrer Querflöte ein Herz
zerreißendes Röhren und Seufzen und verwandelte
damit Bachs
brave Vorlage in abgrundtiefen Blues bei der "Bourree &
Badinerie".
Schlagzeuger Detlef Biedermann gab den Stücken einen starken,
pulsierenden rhythmischen Untergrund, aus dem sie Leben
schöpften,
und übernahm am Xylophon auch schon mal die melodische
Leitung.
Doch manchmal durfte auch Jörg Mühlhaus am Kontrabass
Führungsqualitäten zeigen wie beim samtig weichen
"Little
Train" nach Heitor Villa-Lobos. Lateinamerika ist das offensichtliche
Lieblingsgebiet der Formation. Glatt und nonchalant, wie
Caféhausmusik, aber nie oberflächlich, entfaltete
sich das
Schmachten, die große Pose des Tango in "Milonga".
Begeisterungsstürme gab es für eine weitere
Spezialität
der sieben Grenzgänger zwischen Klassik und Unterhaltung:
Folklore
aus Schottland und Irland. Der "keltische Feuertanz", einer der Songs
auf der neuen CD "Hot Coffee", jagte nicht wenigen Zuhörern
wohlige Gänsehaut über den Rücken - nicht
nur weil
Bodenseh zum Auftakt in der "Ocean Drum" leise die
Metallkügelchen
rieseln ließ.
Irische Musik kann mitreißend klingen auf klassischen
Instrumenten, vor allem, wenn sie sacht hintereinander einsetzen:
Jürgen Volkmar gab an der Gitarre zusammen mit Biedermann am
Vibraphon den Rhythmus vor, dann erzählte Clemens Duchardt an
der
Oboe eine Geschichte ohne Worte von Sehnsucht und Lebensfreude. Der
sich dazu gesellende eindringliche Gesang der Geige (Hilde
Singer-Biedermann) wurde umworben vom Cello (Tilmann Jerrentrup) und
vom Bass.
Auch Pop-Balladen lassen sich für Kammerorchester bearbeiten.
La
Serena hat aus Stings "Fragile" ein ganz neues Klangerlebnis gemacht,
romantisch zum dahin Schmelzen. Kein Wunder, dass die sieben
Musik-Alchimisten erst nach zwei ordentlichen Zugaben heim ins ferne
Hessen entlassen wurden: "Venus" von Shocking Blue, unwiderstehlich
wiederbelebt, und Angelo Branduardis unsterblich munterer "Wasserfloh",
besser bekannt als "la Pulce d'Aqua".
Melanie Pollinger
- Main-Echo - Dientsag, 22.
September 2003 - Lokales
Mit dem Verstand nicht Fassbares zeigen
Großes Kunst- und Kulturwochenende am Grenzweg
zwischen Hessen und Bayern
Großostheim-Ringheim. Im Wald sind
Bäume und
dazwischen -keine Zwischenräume, sondern Rätsel.
Zumindest
war das so am Wochenende im Wald bei Ringheim, wo ein langer Graben die
bayerisch-hessische Grenze markiert. Scharen von Grenzgängern,
viele mit dem Fahrrad, waren der Einladung des Großostheimer
Vereins Kunst=Nöthig gefolgt. Sie sahen sich die Werke von 18
Künstlern aus dem Rhein-Main-Gebiet an, stärkten sich
an der
improvisierten Waldschänke und hörten am Samstag
Musik aus
dem Mittelalter.
Auf dem Weg, den Michaela Truka aus Frankfurt mit gezeichneten
Fabel-Tieren auf weißem Papier markiert hatte, wuselten jede
Menge Kinder herum. Die meisten steuerten am Samstag zielstrebig zur
Freilichtbühne, wo das Frankfurter Galli-Theater das
Märchen
»Hänsel und Gretel« clownesk und doch
zeitgemäß spielte. Am Sonntag ging es zum
Töpfer-Workshop mit Diana van der Lucht und zum
Nistkasten-Bauen
mit Klaus-Jürgen Guth aus Hanau. Der Erlös der
Veranstaltung
ist fürs Aschaffenburger Waisenhaus bestimmt.
Drachenlampe ?
Die Ausstellungsstücke der Erwachsenen waren für die
Kleinen
weniger interessant. Doch es gab auch Kinder, die am liebsten etwas
eingepackt hätten: die Drachenlampe aus Kupfer, die der
Goldbacher
Steinbildhauer Peter Imgrund über den Weg gehängt
hatte, oder
die Wichtel zwischen den dornenförmigen Spitzen aus
grün
glasiertem Ton, die Diana van der Lucht, Erzieherin in Ringheim,
zwischen dem Moos versteckt hatte. Und einige der Kinder stellten die
Fragen, die der Ringheimer Künstler Detlef Maurer, Initiator
der
Ausstellung, gern auch von den Großen gehört
hätte.
»Was bewachen die Wächter?«, wollte ein
Junge wissen,
während die erwachsene Begleiterin nach dem Preis der aparten
Holzarbeiten des Glattbachers Manfred Noll fragte.
? und Grenzwächter
Die Wächter bewachten die Grenze, war doch klar, ebenso wie
die
Brücke aus Seilen und handgeschöpftem zarten
Büttenpapier von Ellen Hug aus Freigericht den Grenzgraben
überspannen und das von Walter Kempf aus Alzenau
weiß-blau-rot bemalte Fahrrad hoch in der Luft für
»Bewegung über den Grenzen« sorgen sollte.
Josef Speth
aus Schneeberg ließ einen kleinen weißen
»Grenzgänger« aus Ton auf einem
verwitterten Balken
balancieren. Beate Thierling aus Hanau legte
»Wasser« in
den Graben: zwei blau bemalte Leinwände, straff gespannt im
Holzrahmen. Volkmar Hundhausen aus
Linsengericht-Eidengesäß
wollte zum Nachdenken über Vorurteile anregen mit seiner
»Schein-Installation«, die einen Durchgang zwischen
Bayern
und Hessen vorgaukelte.
Einfach schön im sonnig-warmen Wald waren die über 70
Exponate: Große hölzerne Säulen des
Sonnentempels von
Jan Curik aus Mainhausen, die von Konrad Franz aus Hausen sachte mit
der Motorsäge bearbeiteten
»Ikarus«-Flügel, eine
riesige Kette aus hölzernen Gliedern, aus einem Stück
geschnitzt von Heribert Heeg aus Glattbach und die langen Beine der
»Gazellenfrauen« von Dr. Helmut Brendel aus
Amorbach.
»Wasser im Graben«
Viele verschlüsselten Geheimnisse bargen die Arrangements, die
der
Großostheimer Gerald Mierswa aus Fundstücken von der
Vulkaninsel Lanzarote gefertigt hatte, daneben
Ölgemälde von
Christian Lang aus Chemnitz, trotz ihrer Abstraktheit voller Mystik.
Das mit dem Verstand nicht völlig Fassbare ausdrücken
und die
Betrachter auffordern: »Denkt bitte selbst nach!«
Maurer
hat dieses dem Wochenende zu Grunde liegende Programm immer wieder
anders aufgegriffen in seinen Beiträgen.
Bitte selbst nachdenken
Maurer war es, der die hellblau lackierte lange
»Himmelsleiter« zerbrochen und die Einzelteile an
den
Wegrand gelegt hat. Auf einem Zettel erklärte er, warum: Im
fernöstlichen Shintoismus (Shin heißt Geist, To
heißt
Weg) sei die Rede von einer zusammengebrochenen Leiter. Was tun, um
sich dennoch dem Himmel zu nähern? Das war nur eine der vielen
»Anregungen zum Nachdenken über Grenzen«,
wofür
der Großostheimer Bürgermeister Hans Klug den Verein
Kunst=Nöthig in seiner Eröffnungsrede gelobt hatte.
Melanie Pollinger
- Presse-Mitteilung vom
19.08.2003:
Am 20./21. September 2003 veranstaltet der im April 2002 in
Großostheim gegründete Verein Kunst =
Nöthig im Bachgau
e. V. unter dem Titel
"Im Wald sind BÄUME und dazwischen
ZWISCHENRÄUME"
ein Kunst- und Kulturwochenende. Veranstaltungsort ist der
bayrisch/hessische Grenzweg im Wald zwischen Ringheim und Schaafheim.
An beiden Tagen bietet der Verein, für die Besucher kostenlos,
eine Kunstausstellung und ein kulturelles Begleitprogramm an. Als
Schirmherren konnten die Bürgermeister von
Großostheim und
Schaafheim, Hr. Hans Klug und Hr. Reinhold Hehmann gewonnen werden,
Gastredner ist Hr. Dr. Gerrit Himmelsbach vom archäologischen
Spessartprojekt.
Der Verein Kunst = Nöthig e. V. wurde im April 2002
gegründet
und zählt derzeit 100 Mitglieder. Anliegen der
Gründungsmitglieder war und ist, Kunst und Kultur auch im
ländlichen Raum zu zeigen.
Ort der Veranstaltung ist der bayrisch/hessische Grenzweg im Wald
zwischen Ringheim und Schaafheim. Dort ist noch ein Teil der alten
Landwehr zu sehen, deren Entstehung zeitlich mit dem Erwerb des
Bachgaus durch Mainz zusammenhängen dürfte (ca. 14.
Jahrhundert). Landesherren waren bis dahin die Grafen von Hanau. Eine
wesentliche Aufgabe der Landwehr war die Regelung des Grenzverkehrs;
der Handelsverkehr beschränkte sich daher auf nur wenige
Durchlässe.
Im Wald erwartet die Besucher eine besondere Atmosphäre. Die
Farben des Waldes und seine Stille beruhigen, die Betrachter werden
wahrnehmungsfähiger, sie atmen gute Luft und angenehme
Düfte.
Während ihres Rundgangs können sie dem
Vogelgezwitscher
lauschen und den Wind in den Bäumen spüren. Es gibt
keine
räumliche Einschränkung, genügend Platz und
Weite, nur
der Himmel begrenzt nach oben.
Die Ausstellung "Kunst am Grenzweg" zeigt Werke von 18
Künstlern
aus dem Raum Frankfurt, Hanau, Aschaffenburg, Miltenberg und aus dem
Bachgau. Skulpturen und Objekte aus Holz, Stein, Ton und Metall,
Malerei, Installationen und Mix Media bieten dem Besucher eine
große Bandbreite künstlerischen Schaffens. Theater,
Musik,
Lesungen und Workshops runden die Veranstaltung ab.
Kunst am Grenzweg ist auch ein Versuch, die Doppeldeutigkeit von Kunst
als Grenzweg sichtbar zu machen, die Natur als Schöpfung in
Erinnerung zu rufen und die Kunst als schöpferischen Akt in
Beziehung zur Natur zu verdeutlichen.
Die Begegnung an der Landesgrenze kann aber auch jeden dazu anregen,
sich Gedanken über Grenzen in der heutigen Zeit zu machen.
- Main-Echo - Dientsag, 24.
Juni 2003 - Lokales
Ohne die Arbeit von nach Kunst in der Kommune trachtenden
Vereinen läge die Kulturpolitik in Gemeinden brach
Den überbordenden Applaus für die Aufführung
des
Chawwerusch-Theaters am Sonntagabend im Großostheimer
Nöthigsgut durfte der veranstaltende Verein Kunst =
Nöthig
durchaus auch für sich in Anspruch nehmen: Eineinhalb Jahre
nach
seiner Gründung gibt der Verein der Kulturarbeit im
bayerischen
Teil des Bachgaus bereits ein eigenes Gesicht.
Dabei geben sich die Vereinsmitglieder bescheiden: "Wir sind noch im
Wachsen", sagt beispielsweise Artur Schnatz, der am Sonntag
für
die Moderation verantwortlich zeichnete: Schnatz ist einer der etwa 20
Aktiven im 100 Mitglieder zählenden Verein, der pro Jahr vier
bis
sechs Veranstaltungen in Großostheim auf die Bühne
bringt -
und so die Ergänzung auf bayerischer Seite zur
Kulturinitiative
Alte Molkerei im benachbarten hessischen Schaafheim bildet.
Kunst = Nöthig hat sich zu einem Beispiel für
kommunale
Kulturarbeit entwickelt, die sich bei knapp werdenden Finanzen der
Gemeinde im Raum Aschaffenburg in immer stärkerem
Maße auf
privates Engagement stützt. Wegweisend in dieser Hinsicht ist
im
Landkreis Aschaffenburg Kleinostheim, wo sich bereits vor Jahren mit
dem Seniorenzentrum St. Vinzenz von Paul und dem Arbeitskreis
Kleinostheimer Kultur (AKKU) gleich zwei Initiativen entwickelt haben -
wobei das Seniorenzentrum mit einem regelmäßigen und
sehr
anspruchsvollen Programm sehr stark sponsorenunterstützt
arbeitet.
Kleinostheim ist ein Sonderfall: Die vergleichsweise
finanzkräftige Industriegemeinde leistet sich - wie
Mainaschaff
und das auf Ausstellungen spezialisierte Glattbach - ein eigenes
Kulturprogramm. Ansonsten halten es die meisten Gemeinden um die Stadt
Aschaffenburg mit der Fachliteratur zum Thema "Kommunalpolitik": Sie
findet nicht statt, weder in Standardwerken der Bundeszentrale
für
politische Bildung noch in Veröffentlichungen von
Fachverlagen.
Allenfalls alternative Verfechter kommunaler Politik räumen
dem
Kultur-Aspekt Platz ein: wobei in dem auch schon aus den 80er Jahren
stammenden "Handbuch für alternative Kommunalpolitik"
Kulturengagement über Privatinitiativen als "kaum sinnvoll
denkbar" eingestuft werden. Identität finden Der vor wenigen
Wochen in Hösbach gegründete Kulturverein - der
zweite nach
der Arbeitsgemeinschaft Altes Rathaus im Ortsteil Rottenberg - beweist
das Gegenteil. Debattierten im Mai die Hösbacher
Gemeinderäte
noch die Öde des Marktplatzes, verwandelte der junge Verein
vorigen Samstag das Ortszentrum oberhalb der Kirche in eine
Freilichtbühne, indem er den Weg bereitete für eine
Aufführung der "Zauberflöte" mit immerhin 18 Solisten
und
30-köpfigem Chor: für den Verein eine gelungene
Premierenveranstaltung, für die Marktgemeinde eine kulturelle
Bereicherung. "Es ist ja kulturmäßig nicht all zu
viel los",
verweist Artur Schnatz auf das Bestreben nach einer
eigenständigen
Kulturpolitik von Bürgern in Kommunen - vor allem jener
zwischen
Mitte 30 und Anfang 50, die ihre kulturelle Identität zwischen
HipHop und Blasmusik finden müssen. Kunst = Nöthig
ist nach
der Gründung am 12. April als Verein inzwischen so weit
gediehen,
dass über die reine Veranstaltungsarbeit hinaus gedacht werden
kann: Es gibt eine Theatergruppe, die allerdings noch
unregelmäßig zusammen kommt ? ? und
möglicherweise das
Vereinsprogramm in absehbarer Zeit prägen kann. Kunst =
Nöthig mangelt es wie vielen Kulturinitiativen an geeigneten
Präsentationen, vom Großostheimer Verein sucht vor
allem
Bettina Müller deshalb immer wieder den Kontakt zu Etablierten
in
der Zunft, beispielsweise zu Klaus Jakob: Den
Geschäftsführer
des Kleinostheimer Hauses St. Vinzenz von Paul schätzt Bettina
Müller als Berater und verläßlichen
Ansprechpartner bei
Problemen. Gemeinsamkeiten suchen Auf regionaler Ebene ist diese
Zusammenarbeit für kommunale Kultur eher die Ausnahme: Bislang
gibt es zwischen den Initiativen im Raum Aschaffenburg kein Netz
gegenseitiger Unterstützung oder eine Absprache zu
Genreschwerpunkten oder Tourneeverläufen. Bettina
Müllers
Versuch einer Kontaktaufnahme zu einer Initiative in
Groß-Umstadt
scheiterte, das war?s denn auch schon - wobei die
Großostheimerin
den Abstimmungsbedarf zwischen den Vereinen zu relativieren versucht:
"Unsere Besucherklientel setzt sich ganz stark aus Stammpublikum
zusammen", so komme kein Verein dem anderen ins Gehege. Das bedeutet
für Kunst = Nöthig gleichzeitig zuvorderst Zuschauer
aus der
Marktgemeinde sowie nach dem letztjährigen Aufführung
von
Chawwerusch Besucher aus den umliegenden Gemeinden, die am Sonntag
erneut kamen. Bei einer Konkurrenz wie dem gleichzeitigen Volksfest in
Aschaffenburg oder den Burgfestspielen in Alzenau werden
Veranstaltungen wie die "Zauberflöte" schnell zum
Rechenexempel:
im vergangenen Jahr 350 Zuschauer, diesmal 200. Da bedarf es
tatsächlich des persönlichen Engagement im
Kulturverein, um
auch Künstlern den Auftritt zum Genuss werden zu lassen: Kunst
=
Nöthig hat mit dem Herxheimer Chawwerusch vergleichsweise
schnell
familiäre Bande geknüpft, in Aussicht haben die
Großostheimer deshalb für die
Freilichtaufführung im
Sommer kommenden Jahres einen attraktiven, weil lukrativen
Samstagabend-Termin. Im Gegenzug wissen die Chawwerusch-Schauspieler,
dass sie im Bachgau den Zauber einer privaten Kulturinitiative
genießen: Nach der Aufführung am Sonntagabend
stellte ein
Vereinsmitglied den Darstellern spontan sein Gästezimmer zur
Verfügung.
Stefan Reis